Vorbilder sind ein große Hilfe im persönlichen Entwicklungsprozess. Sie können uns dabei unterstützen, unseren Zielhorizont zu vergrößern, indem sie unsere Vorstellungskraft in Bezug auf das, was möglich ist, erweitern. Leider mangelt es vielen berufstätigen Müttern an Vorbildern: Frauen, die sowohl ihre Karriere als auch ihre Mutterschaft auf eine Art leben, dass wir uns durch sie inspiriert fühlen. Frauen, die sich nicht entscheiden zwischen ihrer Mutterrolle und ihren Karriereambitionen, sondern in beiden Bereichen nach ihren Maßstäben erfolgreich sind.
Ich selbst habe lange nach Inspirationsquellen für meine neue Identität als Mutter gesucht. Wer führt ein Leben, das aus meiner Sicht attraktiv/lebenswert ist? Als ich jung war, blickte ich zu Frauen auf, die sich in der Welt behaupteten: Christina Aguilera, die sich – so zerbrechlich wie sie damals wirkte – mit starker Stimme und Songs, wie “Can’t hold us down” oder “Fighter” gegen männliche Unterdrückung zur Wehr setzte, Michelle Obama, die ihre Position als First Lady nutzte, um etwas in der Welt zu verändern oder Frida Kahlo, die allen Widrigkeiten zum Trotz ihre Ziele verfolgte. Als ich Mutter wurde, wechselte ich die Brille und orientierte mich in erster Linie an interessanten Frauen in meinem Umfeld, die meines Erachtens nach eine gute Balance aus eigener Identität und Muttersein verkörperten. Beruflich erfolgreiche Mütter, nach meiner Definition, kannte ich aber kaum. Es war praktisch immer ein entweder oder. Eine steile Karriere, Macht und Anerkennung oder ein familiäres Heim, gemeinsame Bastelstunden und Unscheinbarkeit.
In Führungspositionen sind Frauen in der Minderheit und Mütter erst recht. Zwar gibt es Unternehmen, die sich der Leistungsfähigkeit von Müttern bewusst sind, die sie fördern und ihnen auch in Teilzeit Top-Positionen ermöglichen. Doch ist dies in Deutschland eher die Ausnahme. Insbesondere Führungsrollen in Job Sharing Modellen oder Teilzeit sind rar gesät. Dabei sind es diese, die den typischen Karriereknick durch das Mutterwerden verhindern können. Es gleicht einem Glücksgriff, ein derartiges Job-Angebot in einem der gängigen Job-Portale zu finden. Die meisten Stellen sind nach wie vor in Vollzeit ausgeschrieben und zielen nicht auf Vereinbarkeit ab.
Wohin wir auch blicken, die Chancen für Frauen und insbesondere Mütter wirken begrenzt. In den DAX-notierten Unternehmen liegt der Frauenanteil in den Vorständen bei nur etwa einem Fünftel, hat aber in den letzten 10 Jahren zumindest ein optimistisch stimmendes Wachstum hingelegt. In den größten deutschen Wirtschaftsunternehmen liegt die Frauenquote deutlich darunter. Obwohl inzwischen bekannt ist, dass diverse Teams erfolgreicher sind, ist der Anteil vergleichsweise niedrig. Es entwickelt sich gerade erst zur Norm, zumindest eine “Quotenfrau” in den Vorstand zu holen. Die restlichen Plätze am Tisch sind durch Männer besetzt. Dabei sind weibliche Vorbilder in hochrangigen Positionen elementar wichtig, um Diversität zu fördern und andere Frauen sowie die nachfolgende Generation zu höheren Ambitionen anzuspornen. Die, die es gibt, sehen viele nicht. Denn im Gegensatz zu erfolgreichen Männern, die oft Meister der Selbstdarstellung sind, fehlt ihnen schlichtweg die Zeit, neben allen Aufgaben in ihrem Leben auch noch diverse soziale Medien zu füttern oder sich gar zu inszenieren. Sie müssen stets fein säuberlich abwägen, welcher Effort sich tatsächlich lohnt.
Glücklicherweise stelle ich immer mehr fest, dass einzelne Plattformen, wie LinkedIn, inzwischen eine gute Bühne für karriereorientierte Mütter darstellen. Denn hier finden sie nicht nur eine Community, sondern können auch gleichzeitig ihren Marktwert als Fachkraft steigern. Auf Karriereplattformen erlebe ich Frauensolidarität und begegne starken Stimmen, die genau das thematisieren, was vorher unsichtbar blieb: Die Herausforderung von über 60 Schulferientagen gegenüber 30 Urlaubstagen, die kranken Kinder im Home Office, die pflegebedürftige Mutter im Nachbarzimmer.
Unternehmen, die Frauen befähigen wollen, einen festen Platz am Tisch zu bekommen oder auch mit Kindern eine vielversprechende Karriere zu verfolgen, sind gerade erst im Aufbau, doch gewinnen ebenfalls durch eine starke Online-Präsenz an Sichtbarkeit. So hat es sich beispielsweise das 2022 gegründete Unternehmen 10morein zum Ziel gesetzt durch Führungscoachings und Community Lernen das Leadership Ambition Gap zu schließen und mehr weibliche Vorbilder in die Führungsetagen zu bringen. Das Unternehmen momjobs will es hochqualifizierten, ambitionierten Müttern ermöglichen, aktiv nach anspruchsvollen Stellen zu suchen, die sich mit ihrem Lebensmodell vereinbaren lassen. Unternehmen, wie EY, Deutsche Telekom, Deutsche Bahn, PWC, RWE, SAP, ThyssenKrupp und Vodafone vertrauen auf das Portal und betrachten es als Zugang zu einer attraktiven Community. Es ist ihr Schlüssel zu gut ausgebildeten Fachkräften. Die App Equaly hilft Paaren bei der fairen Aufteilung der Care Arbeit, unterstützt zugleich aber auch Unternehmen ihre Mitarbeitenden bei ihren Vereinbarkeitsherausforderungen entgegenzukommen. So bleibt Müttern mehr Zeit für ihr berufliches Vorankommen, zum Netzwerken, zum Personal Branding und damit für das hilfreiche Erlangen von Sichtbarkeit.
Ich habe keine Zweifel, innovative Konzepte und Startups werden langfristig den Unterschied machen und neue Female Leadership Vorbilder hervorbringen, an denen sich eine Vielzahl von Frauen und Müttern in Zukunft orientieren kann. Sie werden die Grundlage für mehr Inspiration schaffen und Grenzen sprengen. Bis ihr Impact aber für alle sichtbar wird, liegt es an uns, uns in den richtigen Netzwerken zu engagieren, aktiv auf die Suche nach Vorbildern in unserem Umfeld oder online zu gehen und Inspiration in uns selbst zu finden. Denn all das, was wir bisher gemeistert haben, öffnet uns die Türen für unzählige weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Vielleicht sind wir es selbst, die zu Vorbildern werden.