Vereinbarkeit ist ein überaus beliebtes Buzzword in Elternratgebern, Zeitschriften und Vorstellungsgesprächen. Es beschreibt die Fähigkeit, sowohl der Familie als auch dem Beruf in ausreichendem Maße Zeit zu widmen und so beidem gerecht zu werden. 

Doch um Vereinbarkeit leben zu können, müssen viele Parameter stimmen. Dabei liegen nicht alle in den Händen von uns Eltern. Vieles basiert auf dem sozio-ökonomischen Status, dem Wohnort und den dort vorherrschenden strukturellen Rahmenbedingungen. Familienorientierte Arbeitgeber oder eine selbstständige Tätigkeit, die sich gut mit einer Familie vereinbaren lässt, können sich positiv auf die Vereinbarkeit auswirken. Ebenso eine qualitativ gute und bedarfsgerechte Kinderbetreuung. Doch nur ein ausreichendes und flexibles Angebot an Betreuungsoptionen über die Kindergartenzeit hinaus kann Vereinbarkeit auf lange Sicht ermöglichen. 

Ein weiterer Enabler von Vereinbarkeit ist die monetäre Sicherheit. Ohne finanziellen Puffer durch Erspartes oder ein Erbe sind viele Eltern gezwungen, voll berufstätig zu sein und so manche familienunfreundlichen Regularien von Unternehmen stillschweigend hinzunehmen. Nicht auf einen Job angewiesen zu sein, stärkt die Verhandlungsposition und bringt Mütter in die angenehme Lage, unflexible und unattraktive Angebote, die sich nur schwer mit dem Familienleben vereinbaren lassen, abzulehnen. Leider sind viele, vor allem Single Moms, nicht in der wirtschaftlichen Situation, jene Wünsche und Forderungen zu stellen, sodass für sie der kindlichen Betreuung eine noch höhere Bedeutung zukommt. 

Kindertagespflegeeinrichtungen schaffen gute Voraussetzungen für einen frühen Wiedereintritt ins Berufsleben. Doch sind die Öffnungszeiten begrenzt und in den meisten Fällen mit einer Vollzeit-Berufstätigkeit und Haushaltsführung kaum zu vereinbaren. Vereinbarkeit kann also schon an den strukturellen Rahmenbedingungen scheitern. 

Wir können uns weder voll auf den Staat noch auf die kapitalistische Wirtschaft verlassen, um einen Zustand der Vereinbarkeit zu erreichen. Doch egal wie prekär die Ausgangslage ist, einen großen Spielraum an Möglichkeiten bietet uns immer unser soziales Umfeld. Damit Vereinbarkeit gelingen kann, brauchen Kleinfamilien ein Ökosystem abseits der offiziellen Strukturen, das uns in unserem Alltag mit Kindern unterstützt. Eine bedeutende Rolle kommt, sofern es ihn gibt, dem Kindsvater zu. Ihn gilt es genauso in die Verantwortung zu nehmen, wie unsereins. Während die Erwartungen an Väter noch vor einer Generation darin bestanden, vor allem der Brotverdiener der Familie zu sein, spielt heute die gemeinsame Zeit mit den Kindern und die Unterstützung der erwerbstätigen Partnerin eine entscheidende Rolle. Sind beide Eltern voll berufstätig, sollte sämtliche Care- und Hausarbeit zu gleichen Teilen, sprich 50/50, aufgeteilt werden. Es gibt bis auf eine massive körperliche Einschränkung keine legitime Begründung, die gegen eine faire Aufteilung spricht. Arbeiten beide Eltern als Team zusammen und bekriegen sich nicht gegenseitig, ist ein Zustand der Vereinbarkeit für beide leichter zu erreichen.

Doch egal ob alleinerziehend oder in einer Erziehungsgemeinschaft, bestehend aus zwei gleichberechtigten Partnern: Gute Beziehungen abseits der Kernfamilie, die auf Zuverlässigkeit und gegenseitiger Unterstützung basieren, sind heute entscheidend für die Fähigkeit Privatleben und Beruf bestmöglich unter einen Hut zu bekommen. Nachbarn, Freunde, Großeltern oder Angestellte können Eltern einen Teil ihres Mental Loads abnehmen. Wenn wir beispielsweise Fahrten zum Tanzunterricht, in die Schule oder zum Sportplatz teilen oder einfach auf bestehende Strukturen zurückgreifen, wenn es auf der Arbeit mal später wird, gibt uns dies die notwendige Flexibilität. Nichts ist schlimmer, als alles auf den “Punkt” zu planen und nur bei der kleinsten Abweichung ins Straucheln zu geraten.

In der heutigen schnelllebigen Welt müssen berufstätige Mütter zahlreiche Aufgaben jonglieren, von beruflichen Verpflichtungen bis hin zur familiären Verantwortung. Hier ein Gleichgewicht zu finden, stellt eine Mammutaufgabe dar, die nur mit soliden Strategien bewältigt werden kann.

Ein effektiver Ansatz zur Vereinbarkeit, der unabhängig von den sozio-ökonomischen Rahmenbedingen ist, besteht darin, klare Grenzen zu setzen. Wenn Du beispielsweise bestimmte Arbeitszeiten festlegst, solltest Du diese auch klar gegenüber Teammitgliedern, Partnern und Kunden kommunizieren. Ein “Care Work” Blocker im Kalender ist ein sehr hilfreicher Hack und erinnert auch die vergesslichen KollegInnen daran, dass Du neben Deiner Erwerbstätigkeit auch anderen Verpflichtungen nachgehst, die Deine Zeit einfordern. Deine Grenzen solltest Du auch mit Deinen Familienmitgliedern teilen. Eine offene und ehrliche Kommunikation beider Partner schafft Verständnis für Eure begrenzten Ressourcen und bietet die Möglichkeit einander besser zu unterstützen und als Team zu agieren. Klarheit, die es ermöglicht während der festgelegten Zeiten den Fokus auf die Erwerbstätigkeit und nach Feierabend voll und ganz Ihrer Familie zu widmen, ist essentiell.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, um in ein Gleichgewicht zu finden, ist das Lernen, Aufgaben zu delegieren. Als berufstätige Mutter hat man leicht das Gefühl, alles selbst machen zu müssen, dabei lassen sich in Wahrheit viele Aufgaben Aufgaben und damit die Last erleichtern. Beziehe Deinen Partner, Deine Kinder und falls möglich gerne auch häusliche Hilfskräfte in die mit ein, und zögere nicht, bei Bedarf auch Freunde oder Verwandte um Hilfe zu bitten. Durch die Aufgabenteilung gewinnst Du nicht nur Zeit für sich selbst, sondern vermittelst Deinen Kindern auch wertvolle Lebenskompetenzen und die Bedeutung von Teamarbeit.

One thought on “Vereinbarkeit von Familie und Beruf

  • C.F.

    Das System ist so kaputt. Wir können uns null auf Kita und andere Enrichtungen verlassen. Entweder ist geschlossen oder nur Notbetreuung. Und dann die stark begrenzten Öffnungszeiten, insbesondere auf dem Lande (14 Uhr bei uns). Das ist doch ein Witz.

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