Was mich persönlich immer wieder schmerzt, ist, dass der gegenseitige Support abseits von offiziellen Einrichtungen zur Kinderbetreuung für viele Eltern nicht der gelebte Standard ist. Anstatt die Großeltern oder Nachbarn miteinzubinden, schlagen sich viele Familien immer noch alleine durch, nach dem Motto “andere schaffen das ja auch”. Doch was sich bei diesen anderen hinter schön gestrichenen Fassaden und verschlossener Tür tatsächlich abspielt, wissen wir nicht. Wie oft der Vater aus Überforderung ausrastet oder die Mutter weinend zusammenbricht, bleibt uns verborgen. Wenn wir mal versuchen einen objektiven Blick auf unsere Familie und wie andere uns wahrnehmen könnten, werfen und das mit unserer gelebten Realität vergleichen, so kommen wir der Wahrheit wohl relativ nah. Nichts ist, wie es scheint. Und vor allem ist nichts so perfekt, wie es den Anschein hat. Egal wie einfach es manchmal wirkt, es ist oftmals nur gut verpackt. Was sich hinter dem herausgeputzten Look des freundlichen kleinen Mädchens versteckt, das uns heute Morgen in der Kita begegnet ist, ist die ungeschönte Wahrheit, die nur der innerste Kreis kennt.
Fakten auf den Tisch. Wir alle können Hilfe gebrauchen. Auch dann, wenn es wirkt, als hätten wir unser Leben voll im Griff. So schwer es mir anfangs gefallen ist, Hilfe anzunehmen, als erwerbstätige Mutter möchte und kann ich heute nicht mehr auf die Unterstützung durch mein soziales Ökosystem verzichten. Unsere Familie profitiert massiv von der Anwesenheit der Großeltern und auch der Hilfe einiger guter Freunde. Und dennoch liegt immer noch ein wesentlicher Teil der Betreuungs- und insbesondere der Erziehungsarbeit bei uns. Wir leisten viel und blicken voller Mitgefühl auf andere, die keine Unterstützung durch Großeltern, Tanten, Onkels oder Freunde erfahren. Obwohl wir uns im Klaren darüber sind, dass wir die uns angebotene Hilfe ohne Bedenken annehmen dürfen, erwische ich mich dennoch, hin und wieder dabei, wie mich ein schlechtes Gewissen plagt. Dieses meldet sich zumeist dann, wenn Menschen in unserem Umfeld die Inanspruchnahme von Hilfe verurteilen und wir uns Sätze anhören müssen, wie “Die armen Kinder, sind bis nachmittags in Betreuung”, “Erst wollten sie Kinder und jetzt schieben sie sie ab” oder “Es ist unverschämt, dass sie die Großeltern so einspannen. Wir hatten damals auch keine Hilfe.” Doch ist es wirklich so unverschämt, wenn wir Unterstützung beanspruchen? Warum sollen wir uns keine Hilfe suchen, wenn wir sie benötigen? Profitiert nicht die gesamte Gesellschaft von unseren Kindern, wenn sie eines Tages in den Arbeitsmarkt eintreten? Ich finde es ist ein bedeutender Unterschied, ob man die eigenen Kinder “abschiebt”, weil man genauso weiterleben möchte, wie zuvor ohne Kinder oder ob man um eine notwendige Entlastung bittet, um den Familienunterhalt zu erwirtschaften, den Haushalt zu erledigen oder einfach nur ein heißes Bad zu nehmen, um die Akkus aufzuladen, sodass man anschließend wieder voll und ganz für die Kinder da sein kann. Durchaus möglich, dass die Arbeiter-Generation unserer Großeltern damals keine Hilfe hatte. Doch waren zu dieser Zeit auch die Ansprüche andere. Schon mal davon gehört, dass es früher üblich war, Babys und Kleinkinder einfach sich selbst zu überlassen, um Einkaufen oder in die Kirche zu gehen? So geschehen und heute absolut undenkbar! Ja, die Väter mussten früher von morgens bis abends einer Erwerbstätigkeit nachgehen und waren zumeist keinerlei Unterstützung bei Haushalt und Kindererziehung. Doch dafür gab es auch kaum Erwartungen an die Erziehung und Sicherheit der Kinder, über die wir uns heute den Kopf zermartern. Fun Fact: Hausfrauen haben in den 80er-Jahren genauso viel Zeit mit ihren Kindern verbracht wie berufstätige Mütter heute. Natürlich haben es die Frauen früher auch ohne Hilfe geschafft, so wie wir es heute wuppen. Womöglich waren Mütter und Väter der Generation unserer Eltern trotz Berufstätigkeit in der Kinderbetreuung auf sich alleine gestellt. Sie haben es gemeistert, die Maske gewahrt, keine Schwäche gezeigt. Aber ich frage mich, was hat das mit den Kindern gemacht, ständig alleine gelassen zu werden, ganz egal ob tatsächlich physisch alleine oder nur durch fehlende geistige Aufmerksamkeit? Wenn es keine Unterstützung gab und Mütter es früher auf Biegen und Brechen gelang, trotz Erwerbstätigkeit in ausreichendem Maße für die Kinder “anwesend” zu sein, war das wirklich so clever? Oder wäre es nicht viel klüger und vorausschauender gewesen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, um so nicht ständig auf dem letzten Rohr zu pfeifen und die eigene Gesundheit (mental und körperlich), sowie die Entwicklung des Kindes, langfristig aufs Spiel zu setzen? Ganz abgesehen davon, dass urteilende Kommentare im Twist der Vereinbarkeit absolut fehl am Platz sind, spiegeln sie nur den Frust und den Neid wider, den manche Eltern vergangener Generationen empfinden, weil sie selbst damals nicht in der Lage waren, andere um Hilfe zu bitten. Weil sie den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht werden wollten, ohne diese zu hinterfragen. Wir aber tun das. Wir machen uns frei von gesellschaftlichen Erwartungen und Urteilen und setzen damit ein klares Zeichen für Vereinbarkeit. Ein Zeichen für eine liebevolle Eltern-Kind-Beziehung und eine ambitionierte Berufstätigkeit. Um Hilfe bitten zu können, ist keine Schwäche, sondern eine Stärke, Verletzlichkeit ist eine Stärke. Also scheue Dich nicht davor, Deine freundliche Nachbarin zum Abendessen einzuladen und ihr Deine Situation zu erklären. Vielleicht triffst du ins Schwarze und sie wird in Zukunft eine treue Begleiterin in Deiner Vereinbarkeitsreise sein. Vielleicht lehnt sie auch ab, erzählt Dir aber von einer alten Damen drei Häuser weiter, die sich so sehr Enkel wünscht und liebend gerne ein paar “Oma-Funktionen” übernehmen würde. Im Idealfall hilft das Offenlegen deiner Situation nicht nur Dir, sondern gibt auch anderen Menschen das wunderbare Gefühl, gebraucht zu werden, wichtig zu sein. In diesem Fall ist euch beiden geholfen. Nur ein klein wenig Kommunikation könnte der Schlüssel zur Tür in eine ganz neue Welt sein. Eine Welt, in der gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung gelebt werden und alle voneinander profitieren, ähnlich den sozialen Gefügen, in denen viele Menschen noch vor 100 Jahren lebten. Es entspricht der Natur des Menschen und kann deshalb nicht falsch sein.
One thought on “Dein Support-Netzwerk: Der Schlüssel zum Erfolg als berufstätige Mutter”
Toller Beitrag, vielen Dank für diese differenzierte Sicht auf das Thema.